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Tageszeit: 04:00 - 05:00 Uhr

Mittlerweile sind wir total durchgefroren und suchen nach einer Möglichkeit zum Aufwärmen. Ich weiß von einer dubiosen Kneipe namens "Wacht am Rhein", in der man auch um 05:00 noch Schweinebraten essen kann. Daniel will keinen Schweinebraten. Pah, der könnte sich ruhig mal opfern.
Die Christkindl-Securities erwähnen noch ein Lokal namens "Meistertrunk", raten uns aber dringend davon ab - vor allem mit den dicken Kameras. Na super.

Wir laufen einfach mal Richtung westliche Stadtmauer.
Als ich den verlorenen Handschuh fotografiere, spricht uns eine junge Frau an und fragt, was wir da fotografieren.
Wir erklären ihr unser Twentyone24-Projekt und dass wir uns jetzt aufwärmen müssten, da wir ansonsten umfielen.
In der Nähe ist tatsächlich noch Licht - in einer Art American Diner. Da bin ich zwar schon 100x vorbeigelaufen, hätte aber nie gedacht, dass die bis 05:00 offen haben.

Wir: Komm mit rein und trink einen Kaffee mit.
Tine: Warum eigentlich nicht?
Wir: Cool.


Wir wirken offensichtlich doch nicht wie komplette Psychopathen.

In dem Café sitzen zwar ein paar seltsame Leute und es sieht etwas strange aus, aber es ist warm und gemütlich.

Aus irgendwelchen Gründen sprechen wir dauernd von Paul, den keiner von uns dreien kennt. Hintergrund ist wohl der alte Song von den Ärzten über Paule, den Bademeister [anhören...]

Wir bitten Tine, uns einen Satz zu ihrem Tag ins Logbuch zu schreiben. Anstatt eines popeligen Satzes kriegen wir zwei komplette Seiten und sind begeistert.

HIQ Nachtaktiv (by Tine)

aus purer Langeweile
aus Lust am Leben
aus purer Frustation
aus Perspektivlosigkeit
aus Kommunikationslust
aus Liebeskummer
auf der Suche nach dem Sinn
einen neuen Weg einschlagen
ein neues Leben leben
aus Angst vor dem Nichts
weil ich verrückt werde
auf einer Schwelle zu etwas neuem, ungewissen
zu mehr Leichtigkeit
Wärme
Geborgenheit
Offen für alles und ncihts
Auf der Suche nach Anerkennung
Den Erfolgsdruck vergessen
Verlorenes wiederfinden
Wiedergefundenes vergessen
Auf mich selbst besinnen
Mehr Egoismus wagen
Weniger Denken, mehr Atmen
Für warme Füße
Kreativität
Offener werden
Spontaner
Unkomplizierter
Das Kind in mir wieder entdecken
wiedererfinden
damit spielen

und es lieb haben

Wie schon manchmal bestelle ich eine heiße Schokolade und bitte die Bedienung, mir ein Gesicht mit Schokopulver draufzustreuen. Sie sagt zwar, sie hat es probiert, aber ich glaube ihr nicht recht.
Tine knallt in den ohnehin schon pappsüßen Kakao auch noch kübelweise Zucker. Abartig, aber ihr scheint es zu schmecken.

Ich hab noch nie um halb fünf in der Früh Tomatensuppe gegessen - Zeit wird's. Dass sie mit Hühnerklößchen ist, merke ich erst, als sie am Tisch steht. Naja, einfach rausklauben.
Im Laufe der Stunde entwickeln wir eine wissenschaftliche Methode, um rauszufinden, ob Hühnerklößchen in der Suppe sind.
Man könnte zwar einfach in den Teller schauen, aber das wäre nicht wissenschaftlich vorgegangen.


Wir unterhalten uns so gut, dass wir tatsächlich eine Viertelstunde ohne Bild vertrödeln. Mist, Ziel war doch, jede Viertelstunde mindestens eins zu machen.
Statt dessen entsteht eine Liste mit Dingen, die man während des Telefonierens tun kann/sollte/müsste:

  • Mit den Zehen wackeln
  • Auf keinen Fall auf der Tastatur tippen
  • Vor sich hin grinsen
  • Striche und Spiralen zeichnen
  • In die Decke beißen
  • Die Blumen gießen und beim Füllen der Gießkanne dem Gesprächspartner lautstark versichern, dass man grad NICHT beim Pinkeln ist
  • Geschirr spülen (keine Gläser)
  • auf's Klo gehen



Kurz vor fünf Uhr macht auch dieses Lokal zu und wir werden sanft rausgeworfen.

Tine begleitet uns noch ein Stück und verabschiedet sich dann, inklusive der Inschrift "Paul ist toll" auf ihrem Unterarm.

 

[ Udos Bilder dieser Stunde bei Flickr (größere Auflösung)... ]

So langsam wird es uns beiden richtig kalt und wir kriegen Lust mal irgendwo reinzugehen, aufzuwärmen und auszuruhen. Aber wo soll man eigentlich hingehen, wenn man mitten in der Nacht in Nürnberg steht? Bahnhof? Da waren wir ja erst. Also erstmal nur rumlaufen. Wir hoffen, auf einen offenen Starbucks zu treffen, weil Kaffee jetzt gar nicht schlecht wäre, aber die habe noch alle geschlossen. Normale Kneipen sind auch schon geschlossen, und der Geheimtipp von den Securities klang auch etwas suspekt. Wäre aber wahrscheinlich noch offen. Udo erzählt ständig von einem Restaurant, in dem man früh um 4 Uhr einen Schweinebraten bekommt, das auch ganz in der Nähe sein muss. Wir finden es nicht. Aber ich möchte eh keinen Schweinebraten. Also watscheln wir weiter, in tiefster Nacht und eisiger Kälte. Udo beschreibt unser Aussehen - schwer bepackt mit Stativ im Gürtel - treffend als Lancelot-alike. Und trotzdem spricht uns erfrorenen, bewaffneten Gestalten jemand an. Von hinten.

Was wir denn da so mitten in der Nacht fotografieren, zirbt sie. Und wozu und wieso und wohin das kommt. Nach zwei Minuten gemeinsamen Weges ist auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein Restaurant geöffnet. Wir gehen rein. Alle drei. Dort lernen Udo und ich dann Tine kennen, die gerade vom Poetry-Slam kommt. Sie hinterlässt uns eine schöne, lange Geschichte in Udos Büchlein und wir unterhalten uns eine halbe Ewigkeit bei Tomatensuppe, die nicht vegetarisch ist, und heißem Kaffee.

Erstaunlich, wie offen manch wildfremde Menschen sind, wenn man sie nur lässt...

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